Was für ein Klang! Eine Stipendiatin berichtet
Im August haben vier Studierende der H f M D K als Stipendiatinnen des Richard-Wagner-Verbands Frankfurt am Main die Bayreuther Festspiele besucht. Auf dem Programm standen Parsifal, Tristan und Isolde sowie der neue Tannhäuser. Ergänzt wurden die Tage mit einem umfangreichen Rahmenprogramm der Richard-Wagner-Stipendienstiftung.
In ihrem Bericht aus Bayreuth vermittelt Ada Felicitas Lange, Studentin im Masterstudiengang Theater- und Orchestermanagement und Stipendiatin 2019, einen guten Eindruck von den Tagen auf dem grünen Hügel.
„Das Stipendium war für mich persönlich etwas ganz Besonderes. Hatte ich doch vorher durchaus einiges an Opernrepertoire erleben dürfen, so war es mir jedoch nie möglich, auch endlich etwas von Richard Wagner sehen und hören zu können. Mein erster Wagner also und das in Bayreuth – wer kann das schon von sich sagen?
Hört man von Bayreuth und ist noch nie dort gewesen, kann sich doch ein sehr buntes Bild mit vielen Vorurteilen, aber auch hohen Erwartungen ergeben. Entsprechend gespannt fuhr ich zu den Festspielen. Bereits am ersten Abend lernte ich das kennen, was man einem Außenstehenden wohl schwer erklären kann. Aus ganz Europa waren junge Menschen angereist, um – wie ich – drei Vorstellungen besuchen zu dürfen und einen Einblick in die Welt der Wagners erhaschen zu können. (…)
Welch‘ ein Spektakel es doch allein ist, die Zuschauer zu beobachten – von der Tracht bis zum Pelz war alles dabei. Als wir schließlich in den Saal gelassen wurden, bestaunte ich mit großen Augen die Massen an Sitzen und fühlte mich fast ins Londoner Globe Theatre zu Zeiten Shakespeares versetzt. Das Klackern der High Heels auf den Holzbohlen und das Knarzen der Lehnen: Das findet man sonst in keinem Theater. Nachdem das Publikum mucksmäuschenstill geworden war, durfte ich die ersten Klänge meiner ersten Wagner-Oper vernehmen: Parsifal.
Von den drei Werken, die wir bestaunen durften, war der Parsifal für mich am schwersten zugänglich. Ein so schwerer Stoff und musikalisch auch ganz anders als Tristan oder Tannhäuser. Auch die Inszenierung war für mich nicht das Highlight meiner Reise. (…) Aber auch, wenn die Inszenierung nicht meinen Geschmack getroffen hat, so war ich völlig hin und weg vom Orchester. Was für ein Klang! Und was für eine musikalische Qualität! Am nächsten Tag durften wir die Inszenierung Katharina Wagners von Tristan und Isolde sehen. Auch hier war die Inszenierung für mich nicht die Stärke des Abends. Allerdings war ich völlig hin und weg von Christa Mayer, Brangäne und Georg Zeppenfeld, König Marke. Wie schade, dass König Marke nur so kurz auftritt. (…)
Das große Finale war aber der Tannhäuser von Tobias Kratzer. Nachdem Bayreuth doch eher dem erwarteten Vorurteil des etwas verstaubten Opernklischees entsprochen hat, brach der Tannhäuser sämtliche Barrikaden auf. Wie wichtig, klug und witzig ist doch, dass Kratzer hier gewisse Tabus und Probleme anspricht, die in Bayreuth noch in den Anfangsstadien der Diskussion zu sein scheinen. Während man in der Pause in die Mohrenbräu-Wirtschaft gehen kann – welche seit 2009 diesen Namen trägt und auf ihrer Website doch eher verstörend von Fabeln berichtet, in denen die Bayreuther Waschfrauen behaupten, sie hätten die Handflächen und Fußsohlen der „Mohren“ weiß waschen können – zeigt Kratzer mit der stummen Rolle und einer Performance von Le Gateau Chocolat auf humoristische Weise, wie albern und veraltet Ansichten sein können. Aber nicht nur das ist an der Inszenierung zu loben. Ich denke, jeder einzelne Zuschauer hat an diesem Abend eine eigene Erkenntnis für sich mitnehmen können. Der gelungene Einsatz von Video (endlich!), die großartige Leistung fast aller Sänger und ein Konzept, das rundum aufgeht, Sinn ergibt und viel vermittelt.
Was sicherlich am spannendsten für mich war, war die Publikumsreaktion. Ein Applaus von 15 Minuten allein nach dem ersten Aufzug ohne ein erneutes Auftreten vor den Vorhang mit Buh-Rufen und tosendem Gegröhle (vor allem aus den Reihen der Stipendiaten). Im Publikum trafen sich die verschiedenen Lager und die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ansichten wurden im Applaus ausgetragen. Der Schlussapplaus wollte schließlich kaum enden und ich hätte noch ewig so weiter klatschen, trampeln und gröhlen können. Wie schön, dass hier ein Lüftchen frischer Wind durch die heiligen Hallen weht.“